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In annektierten Gebieten

Getreidediebstahl in der Ukraine: Begeht Russland damit Kriegsverbrechen?

  • Veröffentlicht: 21.10.2022
  • 15:23 Uhr
  • afu
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© (c) XinHua

Die russischen Besatzer sollen in den annektierten Gebieten der Ukraine in großen Mengen Getreide beschlagnahmen und verkaufen. Das ergaben Recherchen des NDR.

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Das Wichtigste in Kürze:

  • Russland soll Getreide aus der Ukraine beschlagnahmen und auf dem Weltmarkt verkaufen.
  • Der NDR fand heraus, dass dies auch mit Schiffen geschehe, die sich zeitweise den Ortungssystemen entziehen.
  • Ein Völkerrechtler stuft das Vorgehen als Kriegsverbrechen ein.

Russland bedient sich offenbar in großem Stile an Getreide aus ukrainischer Landwirtschaft. Wie Recherchen des NDR ergeben haben, sollen seit Kriegsbeginn bereits 20 Frachtschiffe, meist unter russischer Flagge, rund eine Million Tonnen Getreide unrechtmäßig aus dem Hafen Sewastopol auf der annektierten Krim ausgeführt haben.

Und nicht nur das: Laut den Frachtlisten, welche das Rechercheteam des NDR nach eigenen Angaben einsehen konnte, seien noch etwa 40 weitere solcher Transporte in diesem Jahr geplant.

Der Export des Getreides sei für die Ukraine eine wirtschaftliche Katastrophe, so Taras Vysotzkiy, stellvertretender ukrainischer Landwirtschaftsminister, die Auswirkungen seien verheerend. "Es ist unglaublich und ein enormes, auch soziales Problem. Hier geht es ja um Tausende Landwirte", so Vysotzkiy. Er schätze, dass man in diesem Jahr mit einer Ernte  von etwa acht bis zehn Millionen Tonnen Getreide allein in den von Russland besetzten Gebieten rechne könne. Davon habe Russland inzwischen aber bereits einen Teil beschlagnahmt. Die Landwirte blickten auf eine ungewisse Zukunft, so der stellvertretende Landwirtschaftsminister weiter. "Sie säen nichts neu aus, sie können nichts investieren. Nächstes Jahr werden wir noch schlimmere Zahlen haben." Vysotzkiy spricht von einem wirtschaftlichen Schaden in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar.

Russische Besatzer: "Wer uns unterstützt, kann weiter arbeiten"

An das Getreide kämen die Besatzer auf unterschiedlichen Wegen, so die Recherchen. Betroffene Agrarunternehmer und Landwirte berichteten, dass beispielsweise die Ernten von Bauern beschlagnahmt worden seien, welche ihre Höfe aufgrund des Krieges verlassen haben. Obendrein würden russische Offizielle das Getreide zu Preisen weit unter Vorkriegsniveau abkaufen. Laut Dmitry Skornyakov, Geschäftsführer des Agrarkonzerns Harveast aus Donezk, seien die Besatzer aufgetaucht und teilten mit:  "Wer uns unterstützt, kann weiter arbeiten. Wer die Ukraine unterstützt, dessen Besitz gehört jetzt uns."

Mit der Enteignung und Beschlagnahme der großen Mengen Getreide verstoße Russland gegen geltendes Völkerrecht, sogar als Kriegsverbrechen lasse sich dieses Vorgehen einordnen, so David Crane beim NDR. Der Völkerrechtler der American University Washington erklärt, einer Zivilbevölkerung die Lebensgrundlage zu entziehen sei ähnlich problematisch, "wie sie mit Raketen oder Artillerie zu beschießen". "Die Ernte eines Landes, das man besetzt, zu beschlagnahmen, für eigene Zwecke zu verwenden und Zivilisten daran zu hindern, sie zu nutzen oder zu exportieren, ist ein Kriegsverbrechen."

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Frachter verschwinden aus Ortungssystemen

Die "eigenen Zwecke", von denen Crane spricht, sind im Fall von Russland der Verkauf des Getreides auf dem Weltmarkt. Dass dies geschehe, versuchten die Handelnden allerdings zu verschleiern. So habe der NDR herausgefunden, dass Frachter, welche das Getreide transportierten, mit steter Regelmäßigkeit ihren Transponder abschalten würden und so nicht mehr geortet werden könnten. Anhand des Frachters "Mikhail Nenashev" habe das Rechercheteam anhand von Satellitenbildern und durch Fotos von Schiffsbeobachtern rekonstruieren können, wie das Getreide außer Landes geschafft worden sei. Das Schiff sei nach dem Passieren des Bosporus von den Ortungssystemen verschwunden. Erst sieben Tage später sei der Transponder wieder eigeschaltet worden, als es auf dem Weg zurück Richtung Istanbul gewesen sei. In der Zwischenzeit habe der Frachter in Sewastopol 27.000 Tonnen Weizen an Bord genommen. 220 Kilometer vor der syrischen Küste sei der Transponder offenbar erneut ausgeschaltet worden, Satellitenbilder hätten gezeigt, dass das Schiff einige Tage später vor der syrischen Hafenstadt Tartus gelegen habe.

Russische Offizielle sehen allerdings keinen Verstoß gegen geltendes Recht vorliegen, wie eine Anfrage des NDR bei der russischen Botschaft ergab. Demnach sei es "unstrittig, dass die Russische Föderation nicht nur den Eigenbedarf an Getreide" decke, sondern auch Exportanfragen aus aller Welt entspreche. Russland selbst habe überhaupt keinen Bedarf an ukrainischem Weizen, das Produkt stehe "dem russischen Produkt in Qualität nach".

Verwendete Quellen:

Tagesschau.de: "Kriegsverbrechen durch Getreideklau?"

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