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Anthropozän: Bekommt der Mensch sein eigenes Zeitalter?

  • Veröffentlicht: 01.05.2023
  • 18:45 Uhr
  • Peter Schneider

Lässt sich das Auftauchen des Menschen auf der Erde mit der Herrschaft der Dinosaurier vergleichen? Wissenschaftler:innen streiten, ob unsere Erdzeit-Epoche Anthropozän, also nach dem Menschen, benannt werden soll. Im Clip: Das Zeitalter der Ritter

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Das Wichtigste zum Thema Anthropozän

  • Wissenschaftler:innen diskutieren derzeit, ob eine ganze Erdzeit-Epoche nach dem Menschen benannt werden sollte - das "Anthropozän" (Anthropos ist griechisch und bedeutet Mensch).

  • Doch ist es nicht frech, den Menschen zum Maßstab einer geologischen Zeitrechnung zu erheben, und damit zum Herrscher der Erde wie einst die Dinosaurier? Neue Epochen sind schließlich das Resultat gigantischer Naturkräfte - Supervulkan-Ausbrüche, Asteroiden-Einschläge, driftender Kontinente!

  • Befürworter:innen sagen: Der Mensch hat begonnen, im großen Maßstab seine Umwelt und sogar die Oberfläche der Erde zu verändern - besonders schnell in den vergangenen 100 Jahren. Das ist normalerweise ein Kriterium für eine neue Erdzeit-Epoche.

  • Andere meinen, der Mensch überschätze seine Fähigkeiten (Stichwort Geo-Engeering) und suche eine Entschuldigung, um seine Verantwortung auf die Evolution abzuwälzen.

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Die Gründe für ein Anthropozän

💡 Eingeführt hat das Wort der Klimawissenschaftler Paul Crutzen um die Jahrtausendwende. Der niederländische Nobelpreisträger fand, die geologische Zeitrechnung der Gegenwart dürfe nicht mehr ohne den Menschen gemacht werden.

🔥 Das Hauptargument: Der Mensch hat so viel Kohle und Öl verbrannt, dass er in weniger als 100 Jahren das Klima verändert hat.

💀 Noch schlimmer: Der Mensch verursacht Massensterben unter den Tieren. Biologen haben ermittelt, dass heutzutage hundert- bis tausendmal mehr Tierarten aussterben als in vergleichbaren Zeitabschnitten der vergangenen 500 Millionen Jahre.

🔍 Paläontolog:innen der Zukunft werden in Gesteinen eine scharfe Grenze finden, in denen viele Tiere als Fossilien plötzlich fehlen. Zeitgrenze: jetzt und in naher Zukunft.

🧑🏻‍🤝‍🧑🏾 Nicht zu unterschätzen: Die wachsende Zahl von Menschen. Zu Beginn der Zeitrechnung vor gut 2000 Jahren lebten keine 300 Millionen Menschen. Heute verbrauchen acht Milliarden mehr Rohstoffe als je zuvor - und jedes Jahr kommen 66 Millionen hinzu.

Wie der Mensch das Klima verändert

Allein 2019 förderte der Mensch über vier Milliarden Tonnen Öl und acht Milliarden Tonnen Kohle (wie hier in Brandenburg).   Solche fossilen Energieträger verwandeln sich beim Verbrennen an der Luft größtenteils in Kohlendioxid um. Resultat: Der Anteil des Treibhausgases in der Luft stieg von 310ppm (parts per million, Teilchen pro Million) im Jahr 1950 auf über 414 ppm  heute - und verursacht eine menschengemachte Klimaänderung. Für die Befürworter:innen des Anthropozäns ist das ein starkes Argument.
Allein 2019 förderte der Mensch über vier Milliarden Tonnen Öl und acht Milliarden Tonnen Kohle (wie hier in Brandenburg). Solche fossilen Energieträger verwandeln sich beim Verbrennen an der Luft größtenteils in Kohlendioxid um. Resultat: Der Anteil des Treibhausgases in der Luft stieg von 310ppm (parts per million, Teilchen pro Million) im Jahr 1950 auf über 414 ppm heute - und verursacht eine menschengemachte Klimaänderung. Für die Befürworter:innen des Anthropozäns ist das ein starkes Argument.© GettyImages / senorcampesino
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Beweis oder Zufall? Die Ausbreitung des Menschen und das Aussterben der Großtiere

Vor etwa 120.000 Jahren erschien der Mensch in Ostafrika und breitete sich anschließend über die ganze Welt aus. Vor 50 000 bis 10 000 Jahren verschwanden zahlreiche große Tierarten, insgesamt mehr als 100 Gattungen, darunter der Höhlenbär, das Mammut und alle Riesenfaultiere (ja, die gab es wirklich). Zwar fehlen noch eindeutige Beweise, aber nur wenige Wissenschaftler:innen bezweifeln einen Zusammenhang.
Vor etwa 120.000 Jahren erschien der Mensch in Ostafrika und breitete sich anschließend über die ganze Welt aus. Vor 50 000 bis 10 000 Jahren verschwanden zahlreiche große Tierarten, insgesamt mehr als 100 Gattungen, darunter der Höhlenbär, das Mammut und alle Riesenfaultiere (ja, die gab es wirklich). Zwar fehlen noch eindeutige Beweise, aber nur wenige Wissenschaftler:innen bezweifeln einen Zusammenhang. © Getty Pictures / Denis-Art

Wann das Anthropozän begonnen haben könnte

📅 Die Wissenschaft streitet aber nicht nur, ob, sondern auch wann die Menschen-Epoche begonnen haben könnte.

🚂 Vorschläge unter anderem: Vor etwa 12.000 Jahren als die Steinzeitmenschen anfingen, Felder zu bestellen, die europäische Eroberung Amerikas vor 500 Jahren, die Erfindung der Dampfmaschine um 1784 und die dadurch ausgelöste industrielle Revolution.

🦴 Manche Wissenschaftler:innen sehen den Anfang sogar in den Handkeilen, welche die ersten Hominiden vor Millionen Jahren nutzen, um Knochen auszuschaben und Felle zu schneiden.

☢️ Die Mehrheit der Forschenden meint aber, das Anthropozän habe Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Damals gelangten erstmals die radioaktiven Abfallprodukte von Atombombentests in die Umwelt - außerdem größere Mengen Plastik und Aluminium. Sie lassen sich auch in Millionen Jahren noch gut nachweisen.

🌡️ Viele Wissenschaftler:innen sagen sogar, das Anthropozän wird erst noch beginnen, da sich Überbevölkerung und Klimaveränderungen erst in Zukunft massiv auf die Umwelt auswirken werden.

Anthropozän: Bekommt der Mensch sein eigenes Zeitalter?

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Die Grafik erläutert das System der erdgeschichtlichen Zeitskala, unter Einbeziehung der Massensterben, die sich immer wieder ereignet haben und häufig Wendepunkte der Erdgeschichte waren.
© Galileo

Die Grafik erläutert das System der erdgeschichtlichen Zeitskala, unter Einbeziehung der Massensterben, die sich immer wieder ereignet haben und häufig Wendepunkte der Erdgeschichte waren.

Die Grafik erläutert das System der erdgeschichtlichen Zeitskala, unter Einbeziehung der Massensterben, die sich immer wieder ereignet haben und häufig Wendepunkte der Erdgeschichte waren.
© Galileo

Die Grafik erläutert das System der erdgeschichtlichen Zeitskala, unter Einbeziehung der Massensterben, die sich immer wieder ereignet haben und häufig Wendepunkte der Erdgeschichte waren.

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Wie kommen die Erdzeitalter zustande?

Die Erde ist etwa 4,5 Milliarden Jahre alt, da ist viel passiert. Um den Überblick zu behalten, teilen Geologen und Geologinnen die Erdzeitalter in größere und kleinere Abschnitte ein. Ein neuer Abschnitt beginnt immer dann, wenn sich etwas Wegweisendes auf der Erde ereignet hat, beispielsweise ein Massensterben.

Die Geolog:innen erkennen solche Übergänge an abrupten Wechseln in den Gesteinsablagerungen, und wenn ganze Tiergattungen plötzlich fehlen - oder auftauchen.

Die Epoche der Erdgeschichte, in der wir gerade leben, nennen Erdwissenschaftler Holozän, sinngemäß "das ganz Neue". Es begann vor etwa 11.000 Jahren, als es auf der Erde schlagartig wärmer wurde - das Ende der vorerst letzten Kaltzeit.

Markante Zeitenwende: das Ende der Dinosaurier

Die bekannteste Zeitenwende in der Erdgeschichte ist der Übergang von der Kreide zum Tertiär, als vor 66 Millionen Jahren ein Asteroid auf der Erde einschlug, in dessen Folge die Dinosaurier ausstarben – ein wahrhaft globales Ereignis.
Die bekannteste Zeitenwende in der Erdgeschichte ist der Übergang von der Kreide zum Tertiär, als vor 66 Millionen Jahren ein Asteroid auf der Erde einschlug, in dessen Folge die Dinosaurier ausstarben – ein wahrhaft globales Ereignis.© NASA / Don Davis
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Sind die Hinterlassenschaften der Menschen für die Ewigkeit?

🌆 Man könnte meinen, dass gerade die Städte aus Stein einen bleibenden Abdruck auf der Erde hinterlassen. Schließlich bestehen sie zu einem guten Teil aus den jährlich gut vier Milliarden Tonnen Beton und knapp zwei Milliarden Tonnen Stahl, die jährlich produziert werden.

🌬️ Doch Wind, Regen und Sonne werden auch den härtesten Bunker und den höchsten Wolkenkratzer im Laufe der Jahrmillionen sprichwörtlich pulverisieren - wie jedes Gebirge auch, nur schneller.

🥪 Eine Zivilisation in ferner Zukunft - oder Außerirdische - dürften auf unsere Mega-Citys stoßen wie heutige Geolog:innen auf die Berge der Vergangenheit - in Form ihrer abgetragenen Sedimente, die Wasser und Wind in alle Richtungen verstreuen und als feine Schicht ablagern.

Städte: nicht für die Ewigkeit gemacht

Das Burj Khalifa in Dubai, mit 829 Metern das höchste Haus der Welt. Nach Berechnungen des Geografen Erle Ellis hat der Mensch schon etwa drei Viertel der bewohnbaren Erdoberfläche in der einen oder anderen Weise bewegt. Dennoch: In Millionen Jahren wird das Gebäude voraussichtlich nichts als mikroskopisch dünn verteilter Staub im Stein gewordenen Wüstensand sein, der die Stadt umgibt.
Das Burj Khalifa in Dubai, mit 829 Metern das höchste Haus der Welt. Nach Berechnungen des Geografen Erle Ellis hat der Mensch schon etwa drei Viertel der bewohnbaren Erdoberfläche in der einen oder anderen Weise bewegt. Dennoch: In Millionen Jahren wird das Gebäude voraussichtlich nichts als mikroskopisch dünn verteilter Staub im Stein gewordenen Wüstensand sein, der die Stadt umgibt.© GettyImages / Franckreporter
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