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Keine Frühjahrsbelebung

"Kranker Mann Europas": Deutsche Wirtschaft kommt nicht in Schwung

  • Veröffentlicht: 25.08.2023
  • 16:51 Uhr
  • Joachim Vonderthnn
Die deutsche Wirtschaft ist auch im zweiten Quartal nicht in Schwung gekommen.
Die deutsche Wirtschaft ist auch im zweiten Quartal nicht in Schwung gekommen.© Rolf Vennenbernd/dpa

Viele hatten sich eine Frühjahrsbelebung erhofft. Doch Deutschlands Wirtschaft stagniert auch im zweiten Quartal. Sind die Probleme noch zu lösen?

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Das Wichtigste in Kürze

  • Die deutsche Wirtschaft hat im zweiten Quartal ein Nullwachstum verzeichnet.

  • Ein Ökonom spricht von einem "Dämmerzustand zwischen Stagnation und Rezession".

  • Andere Expert:innen sehen die wirtschaftliche Lage weniger pessimistisch.

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Hohe Inflation, verhaltener Konsum, schwächelnde Weltkonjunktur: Deutschlands Wirtschaft bleibt weiter auf der Standspur. Viele Volkswirte rechnen inzwischen mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung im Gesamtjahr. Europas größte Volkswirtschaft bewege sich "weiterhin im Dämmerzustand zwischen Stagnation und Rezession", konstatiert ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.

Deutschlands Wirtschaft stagniert

Das am Freitag (25. August) vom Statistischen Bundesamt für das zweite Quartal bestätigte Nullwachstum trage nicht gerade dazu bei, die Debatte über Deutschland als "kranker Mann Europa" zum Verstummen zu bringen. Nicht alle Expert:innen sehen die Lage jedoch so düster.

"Nach den leichten Rückgängen in den beiden Vorquartalen hat sich die deutsche Wirtschaft im Frühjahr stabilisiert", analysierte die Präsidentin des Bundesamtes, Ruth Brand. Demnach stagnierte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal zum Vorquartal. Die Behörde bestätigte damit vorläufige Zahlen. Im Winterhalbjahr war die deutsche Wirtschaft zwei Quartale in Folge geschrumpft und damit in eine sogenannte technische Rezession gerutscht.

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Inflation belastet und drückt den Konsum

Die Inflation belastet Verbraucherinnen und Verbraucher und dämpft den Konsum, der eine wichtige Konjunkturstütze ist. Immerhin sanken die privaten Konsumausgaben nach Rückgängen im Winter nun nicht weiter. Die Unternehmen investierten sogar etwas mehr in Maschinen und Fahrzeuge. Die Investitionen am Bau stiegen preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,2 Prozent.

Gegenwind kommt allerdings von den gestiegenen Zinsen. Diese drücken die Nachfrage unter anderem nach Bauleistungen. Der Auftragseingang im Bauhauptgewerbe sank im Juni um 2,7 Prozent zum Vorjahresmonat. Besonders schwach war der Wohnungsbau mit minus 12,3 Prozent.

Zugleich leidet die Exportnation Deutschland unter einer schwachen Auslandsnachfrage. Die Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen sank zum Vorquartal um 1,1 Prozent. Die Importe stagnierten. "Solange das globale wirtschaftliche Umfeld schwach bleibt und die Inflationsraten auf relativ hohem Niveau sind, wird die deutsche Wirtschaft in der Bredouille bleiben", sagt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank.

Auslandsnachfrage bleibt weiter schwach

Unverhohlen titelte das weltweit in Führungsetagen gelesene britische Magazin "The Economist" in seiner jüngsten Ausgabe: "Ist Deutschland der kranke Mann Europas?" Dazu ist ein Ampelmännchen zu sehen, das am Tropf hängt - ein wenig versteckter Seitenhieb auf die Regierungskoalition in Berlin.

"Unser Land ist nicht mehr Wachstumslokomotive, sondern Bremsklotz - und das als immerhin die größte Volkswirtschaft Europas", sagte DIHK-Präsident Peter Adrian der Deutschen Presse-Agentur. "Das Gute: Die Probleme sind lösbar. Es ist aber Zeit loszulegen."

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, meint, Deutschland habe wirtschaftlich "goldene 2010er Jahre" gehabt und sei heute global sehr wettbewerbsfähig: "Deutschland könnte jedoch wieder zum kranken Mann Europas werden, wenn es seine Stärken jetzt nicht klug nutzt (...)."

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Deutschland wieder Europas "kranker Mann"?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, Deutschland habe enorme Stärken, aber Investitionshemmnisse müssten beseitigt werden. "Deutschland darf sich nicht länger selbst fesseln."

Die Dauerkrisen der vergangenen Jahre hat Deutschland nach Ansicht der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm gut gemeistert. Wie in der Pandemie nahm der Staat in der Energiekrise Milliarden in die Hand, um Unternehmen und Bürger zu entlasten. Dies riss jedoch Löcher in den Staatshaushalt: Der Fiskus gab im ersten Halbjahr nach vorläufigen Daten 42,1 Milliarden Euro mehr aus, als er einnahm. Bezogen auf die Wirtschaftsleistung lag das Defizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung bei 2,1 Prozent. Das ist deutlich mehr als die 0,3 Prozent im ersten Halbjahr 2022.

Trotz des gestiegenen Defizits hielt Deutschland im ersten Halbjahr 2023 die europäische Verschuldungsregel ein. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt erlaubt den EU-Staaten ein Haushaltsdefizit von höchstens drei Prozent und eine Gesamtverschuldung von höchstens 60 Prozent des BIP. Derzeit sind diese Regeln wegen der Corona-Belastungen ausgesetzt. Über eine Reform wird diskutiert.

Löcher in der Staatskasse werden größer

Die finanziellen Belastungen dürften nicht geringer werden. Grimm zufolge hat Deutschland reichlich Aufgaben vor sich. Das dürfe man "nicht kleinreden": Abhängigkeiten von China im Handel und bei Rohstoffen, den Umbau der Energieversorgung und den Fachkräftemangel.

Hoffnung auf eine konjunkturellen Trendwende in den kommenden Quartalen macht die staatliche Förderbank KfW. "Es besteht Aussicht auf eine konsumgetriebene konjunkturelle Erholung ab Herbst dieses Jahres - wenn auch mit viel Gegenwind", sagt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Zudem sei der Auftragsbestand in vielen Unternehmen nach wie vor hoch. Die Produktion "Made in Germany" komme also nicht zum Stillstand.

  • Verwendete Quellen:
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Nachrichtenagentur Reuters
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