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Behandlung von Krankheiten

Studie: Soziale Kontakte und die Darmflora – Freunde und Bekannte beeinflussen Mikrobiom

  • Veröffentlicht: 24.11.2024
  • 01:05 Uhr
  • Oliwia Kowalak
Die Mikroorganismen im Darm werden auch von unserem sozialen Umfeld beherrscht.
Die Mikroorganismen im Darm werden auch von unserem sozialen Umfeld beherrscht.© imago/Ikon Images

Eine aktuelle Studie zeigt, dass Menschen, die viel Zeit miteinander verbringen, ihre Mikroorganismen im Darm beeinflussen. Dies kann Forscher:innen Erkenntnisse über Therapien von Krankheiten geben, die auch auf das Mikrobiom zurückzuführen sind.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Mikroorganismen im menschlichen Darm regulieren zahlreiche Prozesse im Körper und sind für bestimmte Erkrankungen mitverantwortlich.

  • Eine aktuelle Studie hat ergeben, dass soziale Kontakte die Zusammensetzung der Mikroben beeinflussen.

  • Mithilfe der Forschungsergebnisse können Mediziner:innen bestimmte Erkrankungen, wie Depressionen, gezielter therapieren.

Mikroorganismen im Darm regulieren nicht nur unsere Verdauung – sie sind auch entscheidender Faktor unseres Immunsystems und damit der körperlichen Gesundheit. Eine im Wissenschaftsmagazin "Nature" veröffentlichte Studie zeigt jetzt, dass unsere soziale Umgebung unser Mikrobiom beeinflussen kann. So soll die Zusammensetzung der Darmmikroorganismen bei Menschen ähnlicher sein, die mehr Zeit miteinander verbringen.

Mikrobiologin Catherine Robinson von der University of Oregon in Eugene, zeigt sich erfreut über den Fortschritt, den die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung für die Mikrobiom-Forschung hat: Soziale Interaktionen seien dabei "definitiv ein Teil des Puzzles, das meiner Meinung nach bis vor kurzem gefehlt hat", so die Wissenschaftlerin, die nicht an der Studie beteiligt war.

Im Video: Forscher entdecken mögliche Ursache für Parkinson

Aufwendige Studie im Regenwald: "Enormes Unterfangen"

Grundlage der Untersuchung war eine 20 Jahre zurückliegende Studie zur Erforschung von Fettleibigkeit im Zusammenhang mit sozialen Kreisen. Forscher:innen sammelten Daten darüber, welche Faktoren zur Ausbreitung von Adipositas beitragen könnten. Einige Viren und Bakterien im Darmmikrobiom verändern das Risiko für die Entwicklung einer Fettleibigkeit.

Für Sozialwissenschaftler Nicholas Christakis von der Yale University in New Haven (Connecticut) stellte sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob Freunde nicht nur das Essverhalten von Menschen beeinflussen, sondern auch die Mikrobiom untereinander weitergeben. Seither haben mehrere Publikationen die Verbindung zwischen sozialen Kontakten und den Mikroorganismen im Darm nahegelegt.

Für die jüngste Untersuchung reisten die Wissenschaftler:innen in den Dschungel von Honduras. In 18 isolierten Dörfern nahmen sie Daten über die sozialen Beziehungen auf, die überwiegend von Angesicht zu Angesicht stattfanden. Zudem waren die untersuchten Personen nur minimal verarbeiteten Lebensmitteln und Antibiotika, die die Zusammensetzung des Mikrobioms verändern, ausgesetzt.

Die Durchführung der Studie entpuppte sich komplizierter als erwartet, da das Team an abgelegenen Orten forschte, die Proben jedoch in die USA zur Weiterverarbeitung bringen mussten. "Das war ein enormes Unterfangen", kommentierte Christakis das Vorhaben im Regenwald.

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Ergebnisse "verändern unsere Denkweise völlig"

Die Ergebnisse haben diesen unglaublichen Aufwand letztendlich wieder ausgewogen: In den Därmen von Ehepartnern und Personen, die im selben Haus lebten, fanden die Wissenschaftler:innen bis zu 13,9 Prozent gleicher Mikrobenstämme. Und sogar Menschen, die nicht gemeinsam lebten, jedoch ihre regelmäßige Freizeit zusammen verbrachten, zeigten zehn Prozent gemeinsame Stämme.

Menschen hingegen, die im selben Dorf wohnten, doch keine Zeit miteinander verbrachten, wiesen nur vier Prozent geteilter Mikroorganismen auf. Die Studie hat außerdem ergeben, dass es Hinweise auf Übertragungsketten gebe – also Freunde von Freunden, die mehr Stämme teilten.

Für Computerbiologe Nicola Segata von der Universität Trient in Italien würden die Ergebnisse der Forschung unsere Denkweise völlig verändern. Diese deuteten nämlich darauf hin, dass Risikofaktoren für bestimmte Krankheiten in Verbindung mit Mikrobiom von Mensch zu Mensch übertragen werden können.

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Mikroorganismen: Auswirkung auf Gesundheit beim Menschen

Durchschnittlich enthält der menschliche Darm 30 bis 100 Billionen Mikroben (winzig kleine Lebewesen). Dabei hat jeder Mensch ein ganz individuelles Mikrobiom (Gesamtheit aller Mikroorganismen). In der Medizin wird angenommen, dass Krankheiten wie Allergien, Asthma, Diabetes mellitus, Bluthochdruck sowie neurologische Erkrankungen wie Depressionen oder Autismus auf das Mikrobiom zurückzuführen sind.

Bisher konnte die Forschung nur einen Teil der Mikrobenstämme im Darm identifizieren. Man weiß noch zu wenig über ihre genaue Funktion. "Doch klar ist, dass das Mikrobiom eine essenzielle Bedeutung hat", so Prof. Nisar Malek, ärztlicher Direktor an der Uni Tübingen gegenüber dem "SWR".

Forschungen der Universität Erlangen haben gezeigt, dass Mikroben nicht nur eine Rolle beim Austausch zwischen Darmwand und Gehirn über den Vagusnerv (Darm-Hirn-Achse) spielen, sondern sogar die Blut-Hirn-Schranke durchbrechen und so Informationen ins Gehirn transportieren können. Dies tun sie, indem sie mit Informationen befüllte Transportblasen über das Blut an andere Körperorgane senden. So bleiben die Bakterien im Darm, senden aber alle Informationen ans Gehirn. Auf diese Art könnten die Mikroben auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden, die die Nervenzellen des Hirns vor Schadstoffen oder Erregern schützt.

Das Risiko dabei ist, dass auch schlechte Mikroben das Gehirn erreichen – und somit auch das Emotionszentrum beeinflussen könnten. Dies könnte dann das Auslösen von Krankheiten wie Alzheimer, Multiple Sklerose oder Parkinson bewirken.

Laut Mikrobiologin Mireia Valles-Colomer von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona (Spanien), seien die Ergebnisse der aktuellen Studie im Regenwald ein weiterer Schritt, die Kombination bestehender Therapien im Falle von beispielsweise Depressionen mit auf das Mikrobiom abzielenden Behandlungen zu verbessern.

Die Wissenschaftlerin gibt angesichts der Ergebnisse aber auch Entwarnung. Soziale Kontakte sollten aus Angst vor Ansteckungen mit Mikrobiom nicht vermieden werden – sie seien eher Bestandteil eines gesunden Mikrobioms. "Enge Kontakte sind nicht schlecht für uns. Im Gegenteil - sie sind vorteilhaft!"

  • Verwendete Quellen:
  • Studie: "Gut microbiome strain-sharing within isolated village social networks"
  • nejm.org: "The Spread of Obesity in a Large Social Network over 32 Years"
  • swr.de: "Wie das Mikrobiom unsere Gesundheit beeinflusst"
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